Das E-Rezept kommt
Haben Sie`s mitbekommen?
Still und heimlich, von den Medien scheinbar ignoriert, wurde letzte Woche das sogenannte „Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungsgesetz (DVPMG)“ vom Bundestag verabschiedet.Unter anderem ist dort eine der bahnbrechendsten Änderungen der letzten Jahrzehnte im Apothekenwesen verankert:
Das E-Rezept kommt - zum 1.1.2022 wird es das bekannte rosa Rezept für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel definitiv nicht mehr geben. Nur noch für Sonderfälle bleibt das bekannte Formular übergangsweise erhalten.
Zunächst sollte bereits ab 1.7.2021 eine freiwillige Nutzung des elektronischen Rezepts möglich sein. Aufgrund zahlreicher Unklarheiten wird die Einlösung digitaler Verordnungen ab Juli nur für weniger als 1 % der deutschen Apotheken in der Modellregion Berlin-Brandenburg ermöglicht. Darunter übrigens eine der größten in Deutschland agierenden Versandapotheken – mit Sitz in Venlo, Niederlande.
Beim E-Rezept soll die vom Arzt digital ausgestellte Verordnung in eine App, die von der vom Bundesgesundheitsministerium beauftragten gematik zur Verfügung gestellt wird, geleitet werden. Aus dieser App soll der Patient die Verordnung an die Apotheke seiner Wahl senden können, welche dann gesichert die entsprechende Verordnung abrufen kann. Dabei kann der Patient die Verfügbarkeit seiner Medikamente in bis zu 3 Apotheken abfragen und einzelne Medikamente seines Rezepts z.B. bei Lieferschwierigkeiten in mehreren Apotheken einlösen. Wahlweise soll auch ein Papierausdruck möglich sein.
Allerdings setzt die gematik-App auf das Zusammenspiel der elektronischen Gesundheitskarte eGK mit dem Smartphone des Patienten, um die im Fachdienst hinterlegte Verordnung sicher herunterladen zu können. Nur etwa 10 % der eGK verfügt bisher über die notwendige technische Voraussetzung. Das hat zur Folge, dass voraussichtlich zunächst größtenteils Ausdrucke in Papierform in der Apotheke vorgelegt werden.
Da die gematik-App offensichtlich noch Zeit braucht, bis sie vollumfänglich nutzbar ist, bleibt es spannend, wie die Apps der Drittanbieter (Krankenkassen, Versandapotheker, öffentliche Apotheker) aufgestellt sein werden. Vom Gesetzgeber wurde das DVPMG nachträglich angepasst, indem klargestellt wurde, dass ein Makeln und die Zuweisung von Rezepten an bestimmte Apotheken verboten wird, die entsprechende Rechtsverordnung steht noch aus.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nach Ankündigung der Verzögerung des E-Rezept-Starts die Aktien der großen Holland-Versender um 10 bzw. 13 % absackten. Die Versandapotheken rechnen mit einem riesigen Umsatz-Zuwachs nach Einführung des digitalen Rezeptes. Dafür wird in Kauf genommen, dass laut Nachrichtendienst apotheke adhoc vom 6.5.2021 trotz pandemiebedingt stark erhöhter Umsätze weiterhin rote Zahlen in Höhe von 5,8 Millionen Euro geschrieben werden.
Damit wird klar, dass die vermeintlich günstigen Preise bei den Versendern mit dem neuen „Gold“ Patientendaten gegenfinanziert werden. Wer Patientendaten hat, kann gezielt versuchen, den Inhaber einer digitalen Verordnung zu beeinflussen, sein Rezept mit nur einem Klick an den gewünschten Versender weiterzugeben.
Fazit: E-Rezept ist nicht gleich Versandapotheke!
Das E-Rezept ist eine Herausforderung, die wir öffentliche Apotheken „an der Basis“ genauso annehmen und erfüllen werden, wie alle anderen Aufgaben ob digital oder analog – aber zusätzlich mit Hirn und Menschenverstand.